SCIENCE

Die folgenden Forschungsprojekte werden derzeit im Rahmen der Forschungsplattform Leibniz Alternatives durchgeführt:

Neuartige Teststrategien für endokrine Disruptoren im Kontext der Entwicklungsneurotoxizität (ENDPOINTS)

Als Mitglied des ENDpoiNTs H2020 Forschungskonsortiums entwickeln wir innovative, auf humanen NPC basierende in vitro Modelle zur Identifizierung von Chemikalien, welche die Gehirnentwicklung stören, indem sie in das Hormonsystem des Menschen eingreifen. Das ENDpoiNTs Projekt ist in zwei Teilbereiche gegliedert: Der erste beschäftigt sich mit der Entwicklung einer Testbatterie zur Substanztestung sowie mit der Akquise von Fachwissen über die molekularen Zusammenhänge zwischen den entwicklungsneurotoxikologischen Beobachtungen und den zugrundeliegenden Störungen der hormonellen Signalwege. Im zweiten Teilbereich kombinieren wir unsere in vitro Studien mit den in vivo und in silico Daten der anderen ENDpoiNTs Partner und evaluieren unsere Ergebnisse in einem epidemiologischen Kontext, um die humane Relevanz unserer Testmethoden garantieren zu können. Die durch ENDpoiNTs entwickelten Testmethoden sollen schlussendlich in die europäischen und internationalen regulatorischen Rahmenbedingungen übernommen werden.

Finanzierung European Commission (Horizon2020)

Herzmuskelzellen in der Kulturschale

Der humane induzierte pluripotente Stammzelltest (hiPS-Test) basiert auf der Fähigkeit von hiPSC, sich in vitro zu schlagenden Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) zu entwickeln, und bildet damit in etwa die dritte Schwangerschaftswoche ab. Wir entwickeln standardisierte Protokolle, um diesen Test in Zukunft für die Testung von Substanzen auf Embryotoxizität einsetzen zu können. Derzeit umfasst der Assay folgende Endpunkte: Gen- und Proteinexpression von kardialen Reifungsmarkern, Aussage „schlägt/schlägt nicht“ sowie die Analyse der Schlagfrequenz der Kardiomyozyten – jeweils nach Substanzbelastung und mit etablierten Positiv- und Negativkontrollen. In naher Zukunft planen wir, Metabolomanalysen als weiteren Endpunkt hinzuzufügen.

Automatische Bildanalyse (KI) und Biostatistik

Die automatisierte Bildanalyse wird in enger Zusammenarbeit mit der an der Ruhr- Universität Bochum ansässigen Gruppe Bioinformatik (Prof. Axel Mosig) durchgeführt. Neuronale Netzwerke werden mit fluoreszenzmikroskopischen Bildern von Nerven- und Gliazellen trainiert, um auf künstliche Intelligenz (KI) basierende automatische Auswertungen der neurotoxischen Analysen vornehmen zu können. Dadurch erweitern wir unsere im eigenen Haus entwickelte Analysesoftware Omnisphero (Schmuck et al., 2017). Die biostatistischen Auswertungen solcher High-Content-Imaging-Analysis-Datensätze (HCA-Datensätze) führen wir mit Hilfe von international anerkannten biostatistischen Methoden durch. CERST kollaboriert hier mit dem US-amerikanischen nationalen Toxikologie-Programm am National Institute of Environmental Health Sciences sowie mit der Brunel Universität London.

Eine in vitro Testbatterie zur Beurteilung der Entwicklungsneurotoxizität

Entwicklungsneurotoxizität (DNT) hat große gesellschaftliche Relevanz, da die meisten der sich derzeit im Umlauf befindlichen Chemikalien nicht auf ihr DNT-Potential getestet wurden. Dies liegt im Wesentlichen an der tierbasierten Standardmethode, die sehr ressourcen-intensiv und damit für das Testen einer großen Menge an Substanzen nicht geeignet ist. Wir sind Teil eines internationalen Konsortiums (Universität Konstanz, US-amerikanische Umweltbehörde (US-EPA), Europäische Nahrungsmittelbehörde (EFSA)), welches eine in vitro Testbatterie zusammengestellt, etabliert und wissenschaftlich validiert hat, die schneller, kostengünstiger und ohne Tierversuche den Einfluss von Substanzen auf das sich entwickelnde Nervensystem von Kindern vorhersagen soll. Diese in vitro Daten bilden die Grundlage einer OECD-Leitlinie für in vitro Testung auf DNT, welche derzeit in Vorbereitung ist.

EFSA-Fallstudie zu Flammschutzmitteln

Flammschutzmittel verhindern oder verzögern die Ausbreitung eines Feuers und sind daher in vielen Alltags- und Einrichtungsgegenständen zu finden. In den letzten Jahrzehnten wurde die Substanzklasse der polybromierten Flammschutzmittel wie polychlorierte Biphenyle und polybromierte Diphenylether als gesundheitsschädlich für den Menschen eingestuft und daher vom Markt verbannt. Diese wurden in Folge durch weniger persistente, alternative Flammschutzmittel wie Organophosphate ersetzt, ohne jedoch deren volles toxikologisches Profil zu kennen. In dieser Fallstudie setzen wir die am IUF entwickelten Assays der EFSA-DNT-Testbatterie (siehe obigen Text „Eine in vitro Testbatterie zur Beurteilung der Entwicklungsneurotoxizität“) ein, um die toxikologischen Potenzen der Flammschutzmittel für basale Prozesse der Gehirnentwicklung abzuschätzen. Diese werden in Kollaboration mit dem Biologisch-Medizinischen Forschungszentrum der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Prof. Köhrer) sowie der Core Unit Modellentwicklung des IUF (Dr. Rossi) zudem molekular analysiert.

Finanzierung European Food Safety Authority (EFSA)

Repräsentatives immunzytochemisches Bild von differenzierenden hNPCs an Tag 5 der Differenzierung.
Blau: Zellkerne, pink: Oligodendrozyten

Vom (Screening-)Treffer zur DNT-Substanz

In den letzten Jahren wurden große Fortschritte bei der Entwicklung tierfreier Testmethoden, die bestimmte Schlüsselprozesse der Gehirnentwicklung abbilden, erzielt (siehe obigen Text „Eine in vitro Testbatterie zur Beurteilung der Entwicklungsneurotoxizität“). Basierend auf den Testmethoden einer solchen in vitro Testbatterie soll das entwicklungsneurotoxische (DNT) Gefährdungspotential von Chemikalien bewertet werden. Um die Vorhersage dieser alternativen Testmethoden zu verbessern, etablieren wir einen auf hiPSC basierenden neuronalen Netzwerk-Bildungs (hNNF)-Assay und testen Pestizide auf ihre Fähigkeit, mit der neuronalen Netzwerkbildung zu interferieren. Gemeinsam mit der Universität Konstanz (Prof. Marcel Leist) führen wir einen Interlaborvergleich der Testmethoden der DNT in vitro Batterie durch, um die regulatorische Akzeptanz und Anwendbarkeit der DNT-Testmethoden zu erhöhen.

Finanzierung Danish Environmental Protection Agency (DK-EPA) – Pesticide Research Program

Aufbau einer AOP-basierten in vitro Testbatterie zur Identifizierung von Verbindungen, die Parkinson-ähnliche Symptome hervorrufen können

Morbus Parkinson (PD) ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung im Alter und tritt z. B. in Ägypten deutlich häufiger auf als im Rest der Welt. Ägypten ist ein Agrarstaat, in welchem es eine hohe berufsbedingte Exposition gegenüber Pestiziden gibt. Zahlreiche epidemiologische Studien begründen die Hypothese, dass Pestizidexposition das Risiko für PD erhöhen könnte. Aus diesem Grund hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA (European Food Safety Authority) die Neubewertung der Hypothese, dass Pestizide die Ursache für Parkinson-ähnliche Erkrankungen sein könnten, über eine Generierung von Adverse Outcome Pathways (AOPs) angestoßen. In diesem Projekt wird eine humane, auf diesen AOPs aufbauende Testbatterie zur Ermittlung des Gefährdungspotentials von Substanzen, die Parkinson-ähnlichen Symptome hervorrufen können, etabliert.

Finanzierung Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD), Bayer AG

Entwicklung organspezifischer in vitro Modelle unter Berücksichtigung physiologischer und pathophysiologischer Merkmale

Innerhalb des EU Horizon 2020-finanzierten PATROLS Projekt (Physiologically Anchored Tools for Realistic nanOmateriaL hazard aSsessment) arbeiten Vertreter aus Akademia, Industrie und behördlicher Einrichtungen gemeinsam an der Entwicklung innovativer labor- und computer-basierter Methoden für die Sicherheitsbewertung von Nanomaterialien. Diese Entwicklungen sollen dazu beitragen, die Notwendigkeit von Tierstudien zur Bewertung von Nanomaterialien zu minimieren und bestenfalls überflüssig zu machen. Unser Fokus für die Entwicklung von in vitro Modellen liegt auf dem Darm als Eingangsorgan für oral aufgenommene Nanomaterialien.

Ziel ist es, die physiologische Komplexität des Organs sowie den Einfluss der Verdauprozesse auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Nanomaterialien realistisch nachzuahmen. Besondere Berücksichtigung findet die Nachbildung organ-spezifischer pathologischer Prozesse, wie sie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen vorzufinden sind. Durch den gezielten Vergleich mit Befunden aus Tierstudien wird die Qualität und Übertragbarkeit der in vitro Modellergebnisse analysiert.

Finanzierung European Commission (Horizon2020)